Schlagwörter: Depression, pharmakologische, Behandlung, Antidepressiva, Leitlinie
Abstract
Die derzeitige S3-Leitlinie zur Akutbehandlung der mittelgradigen bis schweren Depression
empfiehlt klar eine Behandlung mit Antidepressiva (AD). Dies gründet auf der Annahme, dass AD
gegenüber Placebo zumindest bei schweren Depressionen deutlich überlegen sind. Aktuelle Studien
mit individuellen Verlaufsdaten widerlegen jedoch diese Annahme. Durch methodische
Verzerrungseffekte wird die geringe Wirksamkeit von AD noch dazu wahrscheinlich überschätzt.
Daher ergibt sich auch für die Behandlung mittlerer bis schwerer Depressionen mit AD ein
ungünstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis.
Martin Plöderl1
und Michael P. Hengartner2
1Bereich für Krisenintervention und Suizidprävention, Universitätsklinik für Psychiatrie,
Psychotherapie und Psychosomatik, Christian Doppler Klinik, Salzburg, Österreich
1Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Angewandte Psychologie, Zürich, Schweiz.
Die neuesten Studien zeigen, dass der klinische Nutzen nicht nur bei leichten Depressionen,
sondern auch bei mittleren und schweren Depressionen nicht klinisch relevant ist (weniger als drei
Punkte auf der HAMD Skala, ca. 10% Unterschied in den Responderraten). Man kann mit hoher
Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass diese bescheidene Wirksamkeit aufgrund der involvierten
Verzerrungseffekte Überschätzungen der tatsächlichen Wirksamkeit sind. Anhand der eigenen
Logik der Leitlinien müsste daher der Empfehlungsgrad für die pharmakologische Akutbehandlung
von mittleren und schweren Depressionen mit AD herabgestuft werden.